Protokoll vom 29.10. 2025

Trinken unsere tschechischen Nachbarn nur Bier……….

Wenn es eines Beweises dafür bedurft hätte, dass man in der Tschechischen Republik neben weltbekannten Biersorten auch Wein „kann“, dann wurde der Nachweis in der Probe mit mährischen Weinen überzeugend erbracht!

Was so erstaunlich nun auch wieder nicht ist, waren doch die Feudalherren als ausgewiesene Weinliebhaber durchaus daran interessiert, dass die Weinkeller wohl bestückt blieben; und warum sollten auch die Rebstöcke, die ja schon immer im benachbarten österreichischen Weinviertel wohl gediehen, vor der Grenze nach Mähren haltmachen?!

Ein gewisser Wenzel (der mit dem Platz) oder Vaclav (mit der Brücke), auch bekannt als römisch-deutscher Kaiser Karl IV., machte sich im 14. Jahrhundert um die Entwicklung des Weinbaus verdient, schuf das Goldene Prag und gründete u.a. 1348 die Karlsuniversität, die älteste osteuropäische Hochschule.

127 Jahre nach der Gründung der Tschechoslowakei

Fast auf den Tag genau 127 Jahre nach der ersten Gründung der Republik Tschechoslowakei am 28. 10. 1918, zu der eben auch Böhmen und Mähren als spätere ehemalige habsburgische Erblande gehören, präsentierte unser Kellermeister 27 Weingeschwistern mancherlei Erstaunliches und Merkenswertes in Sachen Weinkultur aus ehemals auch deutschen Siedlungsgebieten.

Die berechtigte Frage nach der Bezugsquelle der ausgewählten Belegexemplare der mährischen Kellerkünste – 1 Schaumwein, 8 Weiße und 1 Roter – fand eine verblüffende Antwort: Vor Ort!

Nachdem Versuche der Beschaffung bei Weinhändlern kläglich gescheitert waren, blieb nur eine 800 km-Expedition zu den Quellen in den 20.000 ha Rebflächen – will sagen: zu den Winzern!

Was tut ein Kellermeister nicht alles für seine Weingeschwister!
Mit hochbeladenem Wagen und 13 Exemplaren aus 6 verschiedenen Weingütern ging’s weitere 800 km zurück. Und nur strenge Einrede des Bruderschaftsmeisters konnte die zu verkostenden Weine auf 9 Stück nebst einem einführenden Sekt reduzieren.

Fremde Rebsorten – neue Erfahrungen

Bald schon wurde klar, dass die Mehrzahl der Rebsorten dem gemeinen germanischen Weingaumen fremd war – und selbst wenn sie namentlich analog waren, durchaus nicht als solche immer direkt zu erkennen.

Sieht man mal vom slowakischen Riesling des Weinguts Egon Müller ab, der dort schon Fuß gefasst hat. Der Grüne Veltliner des Weinguts Lahofer dagegen hat mit seinen südlichen Nachbarn wenig gemein.

Dass der Welschriesling nichts gemeinsam hat mit unserem Riesling, sondern vielmehr eine aus Italien stammende Kreuzung ist, deren Nächstverwandter ein Elbling ist, weiß vielleicht noch der in österreichischen Weinen Bewanderte.

Überhaupt ist die Rebsorte ein Freund der kontinentalen Klimazonen, wo er als Spätreifender mit hohen Erträgen glänzt.

Alle anderen Rebsorten und Kreuzungen wie Savilon, Hibernal oder Johanniter sind (zwar nicht böhmische, aber zumindest mährische) Dörfer auf germanischer Scholle derzeit weitestgehend nicht existent – und erschließen neue, spannende olfaktorische Wahrnehmungen.

Insofern war diese Weinprobe in mancher Beziehung bewusstseinserweiternd.
Vergleiche mit vertrauten Geschmacksmustern verbieten sich folglich von vornherein und führen ins Nichts.

Handwerk, Charakter und Favoriten

Eins aber, und darüber war man sich im Kolloquium einig, muss man den Weinmachern lassen:
Alle Weine erwecken den Eindruck von hohem handwerklichen Sachverstand.

Insbesondere die durchgegorenen, trocken ausgebauten ersten fünf Weißweine beeindruckten durch Geradlinigkeit und Ausdruck.
Sie alle sind als Spätlesen kategorisiert oder erreichen zumindest diesen Standard.

Besonders beeindruckte den Protokollanten der 2021 Welschriesling Traubenselektion des Weinguts Lahofer mit 0,1 g/l Restzucker bei 14 % alc.
Neben diesem Wein gebührt auch dem Grünen Veltliner im Akazienholz (Lahofer) sowie dem Müller-Wein die Palme des Abends.

Den Damen nötigte auch der 2022 Pálava mit Anmutungen von Sauvignon Blanc Sympathie ab – auch wenn es sich in Wahrheit um eine Kreuzung aus Gewürztraminer und Müller-Thurgau handelt.

Die drei feinherb ausgebauten PiWi-Cuvées, ebenfalls alle mit dem Prädikat Spätlese versehen, erschienen ein wenig „unausgegoren“, was aber auch der Tatsache geschuldet sein mag, dass sie alle 2024er Jahrgänge sind.

Die abschließende 2022 Rotwein-Cuvée aus Pinot Noir und Cabernet Cortis, 12 Monate im Eichenfass gereift, beruhigte sich nach einiger Zeit und vermittelte durchaus gewohnte Spätburgunder-Noten.
Für ein eher weißwein-geprägtes Anbaugebiet – eine vielleicht mittelfristige Perspektive!?

Preise, Publikum und Stimmung

Freundlicherweise hatte der Kellermeister den Prospekt der Probe mit den jeweiligen Preisen versehen, aus denen abzuleiten ist, dass bei Werten bis an die 15 € durchaus ein anspruchsvolles Niveau zur Verkostung stand, das aber laut Referenten auch lokal akzeptiert wird.

Nach äußerst unterhaltsamen 100 Minuten bedankte sich der Kellermeister für die Aufmerksamkeit und durfte uneingeschränktes Lob für sein Engagement und seinen eloquenten Vortrag einheimsen.

Der Abend – ebenso wie die Verkostung georgischer Weine im September 2024 – zeigte eines in aller Deutlichkeit:
Die Weingeschwister sind offen für das, was den Zielen der Weinbruderschaft entspricht:
die Erkundung und Pflege des Kulturgutes Wein auch über die deutschen Grenzen hinaus.


Ein Zitat zum Schluss

Jene, denen das ab und an ein wenig schwer fällt, seien an das Zitat im Gästebuch zu dieser Probe erinnert:

Wer die Wahrheit im Wein sucht, darf die Suche nicht gleich beim ersten Glas aufgeben!


Und noch etwas …

Zu erwähnen bleibt noch, dass den Jubilaren Axel Begeré (29. 09.) und Hans-Günther Bausch (27. 10.) jeweils zur Vollendung des 8. Lebensjahrzehnts gratuliert wurde und Letzterer seinen Geburtstagstrunk der Weinbruderschaft erhielt.

Abschließend wurde auf die am 28. 11. stattfindende Veranstaltung im Dorfgemeinschaftshaus Lindenholzhausen unter dem Titel

„Wie im Himmel – Chormusik, Poesie & Wein“

mit der Limburger Vocal Connection hingewiesen.

In heiterer Stimmung zog sich der Nachtrunk für einige Zecher bis über die mitternächtliche Stunde hin –
was eine nicht genannte Dame u.a. auch damit begründete, dass sie im Falle einer entsprechenden Nachfrage durch nächtliche Ordnungskräfte mit reinem Gewissen sagen könne,
dass sie an diesem Tag nicht getrunken habe…… 🍷