Protokoll vom 26.03. 2025
Warum in die Ferne schweifen?
Sieh, das Gute liegt so Nahe!
Mit einer kleinen orthographischen Manipulierung (wieder mal!) eines Goethe-Zitats gelangen wir unverzüglich an das Ziel des 2025er Weinausflugs unserer Wein-Bruderschaft, nämlich an den linksrheinischen Nebenfluss des Vater Rhein, der lange weintechnisch ein gewisses Dornröschen-Dasein im Schatten der Tochter Mosel geführt hat. Hier kamen die Römer nicht auf die Idee, Wein zu produzieren, dafür war die Gegend in jenen Tagen wohl zu wild?!
Kurz und gut: Zwischen 16 und 19 Weingeschwister verteilt auf 2 bis 5 Vehikel verbrachten einen bis drei Tage inmitten der Weinberge von Monzingen und Burg Layen (und darüber hinaus!) bei angemessenem Wetter in allgemein angenehmer Gesellschaft. Die möglicherweise verwirrenden Zahlen näher zu elaborieren würde zu weit führen, trüge darüber hinaus auch in geringster Weise Wesentliches zur Wahrheitsfindung bei.
Eine erste regenerative Etappe waren die ehrwürdigen Salinen Bad Kreuznachs, wo sich die Fraktionen der Kleinbus-Passagiere das erst Mal in die Arme schlossen, tiefdurchatmend salzige Luft tankten, um sich anschließend im Brauwerk bei Saline 8 mit Deftigem und vermeintlichen letzten Einheiten von Gerstensaft für das erste Weingut zu wappnen, das alsbald nach kurzer Reise in Monzingen erreicht wurde.
Dass Emrich-Schönleber zu den arrivierten VDP – Weingütern an der Nahe gehört, bedarf wohl keiner Erwähnung, wohl aber, dass sich der Senior-Chef Werner Schönleber höchstderoselbst die Ehre gab, was nicht nur die Trinker erfreute, sondern auch der Präsentation entsprechendes Gewicht verlieh. Über 11 Weine spannte er den Bogen vom frisch abgefüllten 2024 Weißburgunder trocken, 2024 Riesling trocken, 2024 „Lenz“ Riesling (halbtrocken) und 2024 „Mineral“ Riesling trocken aus der Abteilung Gutsweine, gefolgt von den Ortsweinen 2023 „Frühtau“ Monzinger Riesling trocken und 2023 „Halgans“ Monzinger Riesling trocken, beide, wie auch all die folgenden, „Spontanvergärer“ im Holz ausgebaut. Alle Holzfässer aus lokaler Herstellung!
Mehr als 75% der Lage Monzinger Frühlingsplätzchen steht heute im Besitz des Weingutes. Dergleichen komplexes Terroir findet sich weltweit nicht mehr, folglich sind auch die Weine unnachahmlich! Als Beispiele hielten her: 2018 und 2023 Frühlingsplätzchen Riesling GG. Sollte es einen Kanon der besten deutschen Rieslinge geben, würden diese ohne Zweifel dazu gehören müssen!!
Nach diesen, im Wesentlichen trocken ausgebauten Exempeln folgten mit „fruchtsüß“ umschriebene Weine: 2023 Monzinger Riesling Kabinett Ortswein, 2023 Frühlingsplätzchen Riesling Spätlese Große Lage und 2022 Halenberg Riesling Auslese Große Lage. Sie belegen, dass die deutschen „Cool Climate“ Weine in der Lage sind, neben Fruchtsüße eine prägnante Säure zu erzeugen, was ihnen weltweit ein Alleinstellungsmerkmal verschafft und eine lange Lagerungszeit ermöglicht.
Nach Hinterlassung angemessener Elogien und Dankesbezeugungen nahmen einige per Kleinbusse den bequemen Umweg, andere die Füße und den kürzeren, aber ermüdenden Römerweg in das nahe gelegene Landgasthotel Schmidtburger Hof, wo ein Begrüßungstrunk, angenehme Gastlichkeit und ein Grillabend an gemeinsamer Tafel im Innenhof die Expeditionsteilnehmer erwarteten. Wenn man diesem Etablissement etwas nachsagen will, dann wäre es am ehesten die Weinkarte, die nichts zu bieten hatte, was mit dem vorher Getrunkenen hätte mithalten können. Dafür lag die Messlatte zu hoch! So griffen dann doch einige zum Gerstengebräu, wenige auch zu Magenbitter. Ein Nach-Kolloquium vor den Gemächern des Kellermeisters bot später Entschädigung und fand lebhaften Zuspruch!
Dennoch fanden alle nach dem zentralen 7.00h-Weckruf durch die nicht kleine Glocke der unmittelbar benachbarten Kirche den Weg aus den Federn. Der Vormittag galt der Schmuck-Stadt Idar-Oberstein, der Heimat unserer Weinschwester Ulrike und zeitweilige Domizile des Bruderschaftsmeisters und seiner Angetrauten. Festzuhalten bleibt, dass die Stadt nach der Abwanderung der drei Genannten nichts hinzugewonnen hat!!!!! – sieht man mal von dem Edelsteinmuseum ab, dem der Besuch unserer Gruppe galt. Was dort an Handwerklichem und Künstlerischem auf der Basis von Halb- und Edelsteinen geboten wird, ist mehr als nur erstaunlich und allemal eine Reise wert. Über fast zwei Stunden erfreut sich unsere Führerin der ungeteilten Aufmerksamkeit der Gruppe und wusste mit ihrem Wissen zu überzeugen! Glücklicherweise hatte das zugehörige Geschäft nicht viel Gescheites zu bieten, und so blieben die Börsen der Herren im Wesentlichen verschont. Aber dazu später mehr!
Den Ort des Mittagstisches hatte der BM dem Wunsch nach Kartoffelwurst untergeordnet, einer regionalen Spezialität. Unsere „indigene“ Ulrike war der Ort nicht unbekannt, und so ging es flugs in den Hochwald nach Herrstein in die rustikale Zehntscheune. Offensichtlich war die Wahl so schlecht nicht, hörte man doch nur Lob ob der Dinge, die die Küche hergab – Deftiges für allerlei Geschmacksrichtungen. Auch das mittelalterliche Herrstein wusste zu gefallen!
Genug der Kultur usw.! In Monzingen wartete im Weingut Udo Weber die zweite Wein-Probe. Oder sollte man sagen Laura Weber?! Selbige – inzwischen hoch dekorierte Winzer-Tochter/Tochter-Winzer – nämlich begrüßte zur Präsentation mit einem Glas 2020/21 Feuer & Flamme Rosé Brut Cuvée aus ihrer eigenen „Edition L Handmade by Laura Weber“. Das war auf jeden Fall ein starkes, von Selbstbewusstsein getragenes Statement. Es sollte nicht das letzte sein, wie die Frauenpower auch in der bald „assistierenden“ fast drei Jahren alten Tochter (auf das „fast“ legte sie per Handzeichen nachdrücklich wert!) und später beim Winzersteak mit Kartoffelsalat zubereitet mit Rapsöl aus eigener Produktion in Figur der Seniorchefin des Hauses manifestierte. Was Laura in Übersee und in Geisenheim gelernt hatte, kam in den folgenden Weinen aus ihrer Edition zum Ausdruck: 2024 Duo Surprise No.1 trocken, eine Cuvée aus Sauvignon Blanc und Scheurebe, charakterisiert als „Fruchtbombe, tropisch, exotisch, hoher Trinkspaß“ – kann man so machen! Im Vergleich dazu ein klassischer 2023 Weißburgunder trocken Gutswein – durchaus auch fruchtig. Nachfolgend wieder „Laura pur“ mit 2022 Chardonnay No.5 trocken Monzinger Frühlingsplätzchen feinfruchtig, 12 Monate im kleinen Eichenfass gereift. Da vermerkte der Protokollant zwei Ausrufzeichen in seinen Aufzeichnungen.
Wer sich nun fragte, ob denn da jemand den Tugendpfad der Nahe-Rieslinge verlasse, wurde umgehend eines Besseren belehrt: Schließlich sind 60% der Gesamt-Produktion nach wie vor dieser Rebsorte gewidmet. Und so folgte ein Unikat des Hauses: 2023 Riesling trocken vom Grünschiefer, dessen ausdrucksstarke Würze das vulkanische Terroir reflektiert. Auch hier notieren zwei Ausrufezeichen! Eines mehr erhält 2018 Frühlingsplätzchen Riesling-S- trocken, angepriesen als dicht, komplex, voluminös – zurecht! Der muss sich im Reigen der großen Nahe-Lagen nicht verstecken!! Die Tochter stellt diesem Traditionswein 2020 Monzinger Frühlingsplätzchen Riesling „Auf der Ley“ trocken und 2019 Monzinger Halenberg Riesling trocken entgegen. Beides komplexe und filigrane Exemplare mit markanten Abgängen. Man verspürt Lust, die vorhandenen Jahrgänge in Vergleich zu verkosten!! Ausrufezeichen zuhauf!!
Die voluminösen gegrillten Winzersteaks begleiteten dann noch 2023 Bienengärtchen Roter Riesling und 2024 Weissburgunder & Chardonnay vom Rotliegenden. Die angeregte Konversation hätte wohl noch lange fortgeführt werden können, wären die Gastgeber nicht „auf dem Koffer nach Hamburg sitzend“ gewesen. Nachdem zahlreiche Transaktionen getätigt waren, schied die Gruppe im Eindruck eines dynamischen Weingutes, dem der Generationen-Wechsel offensichtlich mit Erfolg gelingt – und auf deren weitere Neuigkeiten man gespannt sein kann!
Damit hätte man es für den Tag bewenden lassen können – wären da nicht noch die älteren Jahrgänge im Hotelkeller gewesen, die unser Kellermeister am Vortag  hatte kaltlegen lassen. Wie sich herausstellte, wäre das der Rede nicht wert gewesen, wäre da nicht noch unsere Weinschwester Dorothée gewesen, die sich anlässlich des Besuches im Edelsteinmuseum sozusagen „heilkundig“ gemacht hatte, um u.a. herauszufinden, dass der Halbedelstein Amethyst offensichtlich gegen alkoholischen Exzesse helfe und nun die Exkursionsbus-Fahrer jeweils mit einem Exemplar dieses spezifischen St. Christophorus beglückte, was zu einer ergötzlichen Erörterung führte, wie diese zum besten Schutz wohl am Körper zu tragen wären. Glücklicherweise halfen einige noch auf dem Weingut Weber erworbenen Weine, diese Diskussion bis zum Erlöschen der Hofbeleuchtung erträglich zu gestalten.
Der nächtliche Regen hatte sich früh genug verabschiedet und erlaubt so wiederum ein „open air“-Frühstück, an dessen Fuß nach Begleichen aller Verbindlichkeiten die Abreise Nahe abwärts nach Burg Layen erfolgte.
Dort residiert auf den Schlossgut seit 1802 in 7. Generation die Familie Diel, aktuell Caroline und Sylvain Diel-Taurisson (oder Taurisson-Diel?) und bewirtschaftet 25 ha Weinberge ökologisch, vornehmlich in Steillagen. Rund 70% der Flächen sind Rieslingen vorbehalten, der Rest den Burgunder-Rebsorten, was durchaus die frankophile Ausrichtung der Besitzer unterstreicht, die, wann immer ihre Zeit es erlaubt, dort weilen, was nicht Wunder nimmt, ist Sylvain doch ein waschechter Gallier, wie er u.a. später durch ansehnliche Kochkünste unter Beweis stellte.
Der Schlossherr empfing charmant stilvoll im Burggarten mit 2019 Riesling Sekt Réserve Extra Brut – VDP Sekt Prestige und hatte damit sozusagen „alle Spatzen gefangen“. Die Champagne lässt grüßen!
Wegen avisierter kulinarischer Präparationen übergab er anschließend an seine Partnerin in der Vinothek, die die Probe mit 2023 Diel de Diel Pinot Cuvée – Gutswein – 80% Weissburgunder, 15% Grauburgunder und 5% Riesling zum Teil in Holz ausgebaut begann. Beide Cuvées rechtfertigen den Genuss von Alkohol vor dem mittäglichen Glockenschlag!!
Es folgte ein 2019 Pinot Gris Réserve gekeltert aus 40 –jährigen Grauburgunder Rebstöcken. Wieder sah sich der Schreiberling veranlasst in die Ausrufe-Zeichen-Kiste zu greifen. Kräftig, lebendig und elegant lässt er so manchen langweiligen Grauburgunder anderer Provenienz erblassen.
Den Reigen der Burgunder beendete 2021 Pinot Noir Réserve, 18 Monate im Barrique ausgebaut, für sein Alter schon sehr erwachsen und sicher einer der noch viele Jahre seinem Mann stehen wird. Da hat offensichtlich jemand in der Typuslokalität genau zugeschaut!
In mittelbarer Nähe zu den Weinbau-Regionen Mittelrhein, Rheingau, Rheinhessen und Pfalz präsentiert das Terroir Anklänge der jeweiligen Böden und Gesteine. So wächst der 2023 Burg Layen Riesling trocken VDP.Ortswein auf devonischen Schiefer. Mit einem Restzuckergehalt von 1.2g ist er ein typischer Vertreter der trocken ausgebauten Weine des Weingutes. Gerade und ehrlich kommt er ohne Schnörkel auf den Punkt! Was der 2022 „Eierfels“ Dorsheim Riesling, auf rotliegenden Konglomeraten wachsend, noch akzentuiert. Das Substrat verleiht dem Wein eine saftige Würze. Der Proband schnalzt genussvoll mit der Zunge.
Als letzter der trockenen Rieslinge findet der 2023 Goldloch GG den Weg in die Gläser und untermauert die Philosophie der Winzer. Manchen mag der konsequent trockene Riesling-Ausbau „nicht schmecken“, den Erfolg gibt aber die Akzeptanz der Weine wider. Und wer will kann ja aus der Abteilung fruchtige Weine beispielsweise auf einen 2023 Pittermännchen Riesling Kabinett Große Lage mit 45g Restzucker zurückgreifen, der den Abschluss der Weinprobe darstellte. Seine robuste Säure lässt auf lange Haltbarkeit hoffen.
Im Burgturm war für ein kleines aber feines Mittagsdinette aus Käse-Quiche mit Salat eingedeckt. Bevor der Burgherr diese reservierte, gab es „aufs Haus“ als Aperitif Pinot de Diel Rosé Brut! Zu der hochgelobten Quiche dann als Tischweine noch 2023 Nahesteiner Weißburgunder Gutswein und 2023 Riesling von der Nahe feinherb, mit dem dann auch das Himbeer-Traum Dessert heruntergespült wurde.
Ulrike Buzello wurde für ihre Unterstützung bei der Planung der Exkursion mit einem Schaumwein-Präsent gewürdigt, während die Busfahrer je ein Kistchen Wein dankend in Empfang nehmen durften.
So endete – offensichtlich zur allgemeinen Zufriedenheit und ohne weitere Merkwürdigkeiten – eine kleine Reise in ein heute gar nicht mehr kleines und wohlgeachtetes Weinbaugebiet dank der glücksbringenden Amethyste ohne bedeutende Probleme. Dass sie gelingen konnte lag insbesondere an den besuchten Weinmachern und ihrer Gastfreundschaft – und nicht zuletzt an einem Domizil, das angenehm überrascht hat.