Protokoll vom 30. 10. 2024
Semper idem!
Auf den Tag vor 7 Jahren und 11 Monaten wurde im Rahmen einer Mosel-Saar-Ruwer-Probe unserer Weinbruderschaft unter Leitung des Officier Commandeur der Confrérie des Chevalier Tastevin Dr. Jochen Bauke und unseres Kellermeisters u. a. ein 2012 Eitelbacher Karthäuserhofberg Riesling Spätlese trocken und ein 2013 Eitelbacher Karthäuserhofberg GG verkostet. In Erinnerung mag bei einigen Teilnehmern geblieben sein, dass Letzterer mit einem Gesamtextrakt von 31,6g/l ausgewiesen wurde.
Das magere Protokoll verzeichnet als Reaktion der damals teilgenommen habenden 34 Weingeschwister: „…das war die beste Verkostung, die wir je hatten…“! Dieses Verdikt galt neben der Auswahl der Weine ohne Zweifel auch der kurzweiligen „Correspondence“ des wohl besten Kenners dieser Weinbau-Region.
Wie dem auch sei, bei der Vorstellung des sich nun seinem Ende neigenden Jahres hatte der Vorstand als ein Thema „Ausgewählte Weine aus den Kellern der Weingeschwister“ vorgeschlagen. Nach dem die Resonanz auf dieses Ansinnen äußerst verhalten war, ergriff der secretarius die Initiative und die Gelegenheit beim Schopf sich im äußerst wohl sortierten Keller unseres Weinbruders Reinhold Königstein umzutun – mit dem Ergebnis 5er Jahrgänge der Monopol-Lage Eitelbacher Karthäuserhofberg Riesling, die in folgender Reihenfolge verkostet wurden.
2001 Auslese trocken 11.65%alc. RZ 7.7g/l S 6.9g/l G.-Extrakt 34.4g/l
2002 Auslese trocken 11.89%alc. RZ 9.0g/l S7.6g/l G.-Extrakt 32,8g/l
2005 Auslese trocken“S” 13%alc. RZ 7.6g/l S6.6g/l G.-Extrakt 30.2.g/l
1990 Auslese Fuder 23 8.24%alc. RZ 59g/l S S9.3g/l G.-Extrakt 84.5g/l
1999 Auslese Fuder 23 9.00%alc. RZ 74.6g/l S 6.9g/l G.-Extrakt 103.7g.
Vorangestellt wurden sozusagen als Basis-Weine
2022 Riesling „Schieferkristall“ 11.5%alc. RZ 2.5g/l S 6.6g/l
2022 Karthäuserhofberg Riesling Kabinett 9.0%alc. RZ 36g/l S 7.5g/l.
Das Weingut Karthäuserhofberg im Trierer Stadtteil Eitelsbach blickt auf eine mehr als achthundertjährige Geschichte zurück und gehört damit zu den 90 ältesten ununterbrochen in Betrieb gebliebenen Unternehmen weltweit, von denen 7 mit Weinbau beschäftigt sind. Die erste urkundliche Erwähnung ist aus dem Jahre 1223, jedoch belegt das Weinschiff von Remagen aus römischer Zeit, das Weinbau in dieser Gegen wahrscheinlich deutlich früher seinen Anfang nahm. 1335 schenkt Kurfürst Balduin von Luxemburg den Karthäuser-Orden eine Hofstelle in Eitelsbach, die u.a. Weingut gründeten und bis zur Säkularisierung im Jahre 1803 betrieben. Danach ersteigerte Valentin Leonardy, der Generalintendant des napoleonischen Heeres, das Weingut, das seine Nachkommen aus den Familien Rautenstrauch, Tyrell und Behler seither führen. Erwähnenswert ist vielleicht, dass die Kathinka Mühlen aus der Kölner 4711-Dynastie 1876 einheiratete.
Welchen Stellenwert dieser Wein immer hatte, zeigt als Beispiel ein Blick in die 1930er Verkaufsliste des Mainzer Weinhändlers August Feldheim, der den einfachen 1929 Riesling mit dem Prädikat „hohe Art“ für 4.50 RM anbietet. Teurer sind auf dieser Liste nur die Wehlener Sonnenuhr, die Serriger Hindenburg Lay und der Niedermenniger Zuckerhof – diese alle allerdings als Auslesen!!
Eine der schillerndsten Persönlichkeiten des deutschen Weinbaus in jüngerer Zeit ist ohne Zweifel der aus Berlin stammende Werner Tyrell, seines Zeichens Berufsoffizier, der 1947 in die Familie Rautenstrauch einheiratete und nicht nur sehr bald die Führung des Unternehmens übernahm, sondern 1964 auch zum Präsidenten des Deutschen Weinbauverbandes gewählt wurde, ein Amt, das er bis 1980 bekleidete – nicht immer zur Zufriedenheit seiner Standesgenossen, die sein preußisches Auftreten nicht schätzen, und ihn 1968 anlässlich einer Veranstaltung tätlich angriffen und verletzten. Dennoch wird sein Name für immer mit dem 1971 verabschiedeten neuen Weingesetz verbunden bleiben.
Allerdings war der international hochgeschätzte Experte auch in den Weinpanscher-Skandal der achtziger Jahre verwickelt, als der Karthäuserhof-Chef wegen Saccharose – Missbrauch über mehr als 10 Jahre zu einer Haftstrafe auf Bewährung und einer hohen Geldstrafe verurteilt wurde. Sein Sohn Christoph führte das Unternehmen unter Schwierigkeiten wieder in ruhigere Fahrwasser und wurde 1997 Winzer des Jahres der Feinschmecker-Magazins und Winzer des Jahres Gault Millau im Jahr 2005.
Die Monopal-Lage Eitelbacher Karthäuserhofberg ist auf 17.7ha mit Riesling und 1.3ha Weißburgunder bestockt. In den letzten Jahren wurde die Gesamtflächen auf insgesamt 26ha arrondiert.
Die Weinberge in einer Höhe um 250 m fallen mit bis zu 55% nach Süden ein. Prädominantes Gestein ist devonischer Schiefer des rheinischen Schiefergebirges, das durchzogen ist von eisenhaltigen Gängen, die zusammen mit höheren Gehalten von Kalium, Magnesium und Phosphor zur besonderen Mineralität der Weine beitragen. Die Düngung erfolgt rein biologisch.
Bei einem mittleren Ertrag von 55hl/ha in selektiver Hand-Lese werden etwa 120.000 Flaschen im Jahr produziert. Nach Ganztraubenpressung kommen neben der Spontanvergärung Riesling-Zuchthefen zum Einsatz. Der Ausbau erfolgt in Stahltanks gemäß der Philosophie des Hauses unter möglichst geringer Einwirkung.
Alle Weine wurden am Tag vor der Probe entkorkt und geprüft. Erstaunlich war der allgemeine gute bis sehr gute Zustand der Korken. Nur eine Flasche war zu verwerfen!
Der Abfolge der Weine in der Probe (siehe oben) folgte nicht der Chronographie der Jahrgänge, sondern war viel mehr von dem Versuch getragen, die trockeneren an den Anfang zu stellen, wobei das Weingut die ersten beiden (2001 und 2002) explizit als „trocken“ etikettiert. Ausweislich der technischen Daten unterscheiden sie sich unwesentlich, dafür umso mehr hinsichtlich Farbe, Nase und Gaumen. Gemein ist beiden eine erstaunliche Frische. Erstaunt war man über den 2005er, laut Weingut ebenfalls „trocken“, jedoch mit einem „S“ versehen. Nach Restzucker, Säure und Extrakt weicht er wenig von seinen Vorgängern ab, allerdings kommt er deutlich fruchtiger und „süßer“ trotz deutlicher Säure daher, von der Anmutung hat er deutlichere Alterungstöne, leichte Petrol-Anklänge. Allgemein als recht unruhiger Zeitgenosse beschrieben.
Mit dem 1990er Auslese #23 werden alle Klischees der Klasse bedient, was bei einem Restzucker von rund 60g/l nicht verwundert. Von allen Weinen hat er den höchsten Säuregehalt mit über 9g/l, was ihn mit fast 35 Jahren immer noch recht stramm auf den Beinen hält, wenn auch die Nase schwächelt …. und der Gaumen Likör-Sensation signalisiert.
1999 – ebenfalls eine Auslese #23 lässt mit über 100g/l Extrakt und 75g/l Restzucker bei 9% alc. aufhorchen; trotz nur 6.6g/l Säure kommt dieser Jahrgang erstaunlich frisch und straff daher – das Auditorium war sich einig – dieser Wein ist harmonisch; insbesondere, wer fruchtige Auslesen mag, ist hier in seinem Element.
Was bleibt am Ende dieses, erfreulich diskussionsgeladenen Abend als Fazit?
– 1. Die im Verkostungsblatt vorgeschlagenen Noten wurden im Wesentlichen bestätigt.
– 2. Mit den technischen Daten allein lassen sich die erheblichen Unterschiede zwischen den Weinen nicht grundsätzlich erklären! Offensichtlich spielen Klima, Lesedatum, Kellermeister usw. eine gewichtige Rolle, die über die Zeit in der Flasche möglicherweise noch potenziert werden!
– 3. Diese Art von Verkostungen hat seinen eigenen Reiz – und dafür ist dem zu danken, der diese Weine gesammelt und großzügig zur Verfügung gestellt hat! Seine Philosophie hat ohne Zweifel Fundament!! Herzlichen Dank an Weinbruder Reinhold Königstein!