Weinbruderschaft NassauerlandÂ
–Weingut Emil Bauer –
1. Oktober 2022.
Grauburgunder „Bullshit“……….Pinot Rosé Sekt „No Sex“??
Da staunt der Laie und der Bacchus-Jünger fragt sich, ob er so etikettierte Weine in seine Kollektion aufnehmen würde. Offensichtlich ist eine beachtliche Zahl von Zeitgenossen willens, diese Marketing-Masche anzunehmen, verkauft doch das Weingut Emil Bauer in Nußdorf 80% seiner jährlichen 390.000 Liter aus 42 ha Rebfläche (mit 22 Rebsorten) als sogenannte Labelweine und -Sekte – 12 von 60 in der 2022 – Weinliste! Überhaupt ist der Umgang mit Weinbezeichnungen im Hause Bauer in mancher Beziehung kreativ – am Ende werden nur die weißen Selektionsweine mit einer Lagenbezeichnung geadelt. Andererseits kann sich der interessierte Kunde seine Weine mit personalisierten Etiketten versehen lassen – der Originalität sind keine Grenzen gesetzt.
Doch der Reihe nach:
 Nach einer regengetränkten – aber problemlosen – Anreise erreichten 20 Weingeschwister nebst einer Gästin ohne den krankheitshalber entschuldigten Bruderschaftsmeister (und „spiritus rector“ dieser Veranstaltung) das Weingut Anselmann in Edesheim südlich von Neustadt an der Weinstraße – mit mehr als 150 ha keines der kleinen Pfälzer Weingüter, wie auch die umfängliche Weinkarte ausweist. Ob der weiträumigen Bauarbeiten an der zugehörigen Straußwirtschaft wurde die Gruppe in ein Party-Zelt komplimentiert, das trotz des unwirtlichen Wetters sehr bald wohltemperiert war, und begann flugs mit Aufnahme von Quadratmetern von Flammkuchen, Pfälzer Saumagen und anderen regionalen Spezialitäten und dem damit einhergehenden Vorglühen unter Aufnahme verschiedenster Trauben-Derivate durchaus ansprechender Qualität (zumindest, soweit es den secretarius betraf!). Nach zwei Stunden war die Atzung vollzogen, Magen und Leber zu Genüge beschäftigt, und der Weiterreise zum Weingut Bauer stand nichts mehr im Wege außer den engen Nussdorfer Gassen und Park – Gebaren der Anwohner, die den Busfahrer zu wahrhaft heroischen Manövern trieben und den Bus inmitten von Rebflächen unweit der Probierstube enden ließen, die trockenen Fußes flugs erreicht wurde. Schon am Eingang wurden die Weingeschwister Mady und Just mit dem Etikett „SCHEU….Aber Geil!“ begrüßt!!
Womit die Tafel gedeckt war (siehe oben):
In der ersten Abteilung wurden die Ortsweine Auxerrois, Chardonnay, Sauvignon Blanc und Viognier kredenzt, alle Jahrgang 2021 und alle trocken ausgebaut, Chardonnay und Sauvignon Blanc jeweils zu 50% im Holz. Unser Gastgeber betont die geographische und klimatische Nähe zu den französischen Nachbarn, die in mancher Hinsicht als Vorbilder betrachtet werden. Dem secretarius gefiel der letzte durchaus, allerdings bedauert er, dass alle Weine aus dem Jahr 2021 stammen…und keine Zeit hatten, ihre jeweiligen Charaktere zu entfalten – in seiner guten Erinnerung hat er ältere Jahrgänge aus einer anderen Verkostung. Optimistisch, wie er ist, spricht er aber allen ein gewisses Potenzial zu – gefällt ihm doch die teils ausgeprägte Mineralität. Dem muss wohl auch so sein, denn bei einem Preis von durchweg 12.40€ sollte man einiges erwarten können (angekündigte Preiserhöhungen nicht berücksichtigt!).
Von den Selektionsweinen (Lagenweinen) wurden offeriert
- 2021 Viognier Herrenberg trocken „beachball“, 12.5%alc., 6.3g/l Gesamtsäure, 4.0g/l Restzucker, 6 Monate im 500l Eichenfass aus 25jährigen Rebstöcken. Sehr angenehm rund auf der Zunge, starker Abgang, gute Mineralität …… aber leider noch viel zu jung!!!
- 2021 Grauer Burgunder Mandelberg trocken „feeling so real“, 13%alc., 5.6g/l Gesamtsäure, 3.7g/l Restzucker. Für den Berichterstatter unauffällig, diskret ohne Ecken und Kanten…. Alter siehe oben!!
Mit 24.50€ erheben diese Jünglinge einen hohen Anspruch…..dem sie erst noch gerecht werden müssen!!
Mit dem letzten Weißen im Glas ging es in den sehr modernen Produktionsbereich, der Zeugnis von erheblichen Investitionen ablegt, beeindruckende Mengen an neuen Holzfässern (Halbstück und Barrique) und eine optische Trauben-Sortieranlage (neben Brogsitter die einzige in Deutschland?!) sind sichtbare Belege. Jahreszeitgemäß taten die Gär-Rohre ihren Dienst und machen Hoffnung auf einen guten Jahrgang.
Noch vor Ort kam als Ortswein Rot
- 2020 Nussdorf Doppelstück trocken, 14alc., 5.0g/l Gesamtsäure, 0.6% Restzucker, eine Cuvée aus Cabernet Sauvignon, Merlot, Pino Noir ins Glas. Einziger Kommentar: Kann man trinken, sollte man aber noch nicht!! Mal sehen, was aus ihm wird.
Zum „krönenden“(?) Abschluss dann
- 2019 Nussdorf Meisterstück trocken, 14.0%alc., 5.5g/l Gesamtsäure, 2.7g/l Restzucker, Cuvée aus Cabernet Sauvignon, Merlot, Cabernet Franc, Malbec, Nebbiolo, Petit Verdot. Der kommt auf den ersten Schluck vollmundig daher, hat eine angenehme Nase mit Sauerkirsch-Betonung – der geneigte Rotweintrinker fragt sich allerdings: Wo will der Winzer hin, was will er uns mit diesem Wein sagen?? Die bunte Familienmischung von Rebsorten lässt Fragen offen – allerdings kam er für sein Alter gut an – man sollte manchmal eben auch nicht zu kritisch sein.
Unserem Gründungskanzler gelang es trotz intensivster Bemühungen nicht, ältere Referenzjahrgänge aufzutreiben. Angeblich alles ausverkauft. Nun fragt sich der Laie natürlich, wie wird die Entwicklung der verschiedenen Weine in der Alters-Reifung bewertet, die doch ursächlich sein muss für den zukünftigen Ausbau!? So bleibt der Eindruck, das Marketing-Strategien der erste Antrieb sind – offensichtlich mit Erfolg bei 95% Absatz in Deutschland! Mit vollen Hosen ist gut stinken……
In seinen Dankesworten war der secretarius dennoch voll des Lobes. Zum Troste derer, die vermeintlich ob des erhöhten Konsums von Genussmitteln eine verkürzte Lebensdauer befürchten, zitierte er aus einem in der FAZ erschienenen Interview mit dem Altersforscher Nir Barzilai zu dem Geheimnis des Altwerdens:
„Es sind die Gene und nicht der Lebenswandel. Mehr als die Hälfte der Teilnehmer an der Studie sind oder waren übergewichtig, wir hatten gerade mal 2% Vegetarier. Viele haben stark geraucht, weniger als die Hälfte hat sich auch nur moderat körperlich betätigt. Die Leute haben also nicht gemacht, was immer gepredigt wird, wenn man gesund bleiben will. Ich hatte vier Geschwister in der Studie, eine von ihnen habe ich in ihrer New Yorker Wohnung besucht, als sie 100 war. Sie hat die Tür mit einer Zigarette in der Hand aufgemacht und gesagt, alle 4 Ärzte, die ihr gesagt hätten, sie solle mit dem Rauchen aufhören, seien mittlerweile tot“…….
Eingedenk dessen organisierte der Bruderschaftskanzler für die Rückreise eine Selektion von 6 Flaschen zwecks Nachverkostung, was die mehr als zweistündige Rückreise kurzweiliger gestaltete – trotz Burgerking Plastikgläsern. Irgendwie war das ein passender Abschluss dieser Veranstaltung.
Zu guter Letzt noch ein Etikett aus der Sammlung der Labelweine:
„Enjoy your life. You’re longer dead than alive“


