Jahresendveranstaltung am 24. November im Bürgerhaus Staffel
Weinbruderschaft Nassauerland
von Bordeaux bis Zweigelt – 10 Rote aus 5 Ländern
Dem Chronisten fällt es nicht leicht, die letzte Veranstaltung der
Weinbruderschaft im Jahre 2021 protokollarisch zu Papier zu bringen –
nicht etwa, weil sein Hirn erschlaffte (das auch!), – nicht etwa, weil
es an Wein fehlte, und schon gar nicht, weil dem Kellermeister die Worte
gefehlt hätten, das zu kommentieren, was dienstbare Geister in die
Kelche fließen ließen. Es fällt ihm schwer, weil er fürchtet, den nicht
teilgenommen Habenden ob der Grandiosität der entkorkten Weine bei der
Lektüre dieser Zeilen Schmerz zuzufügen (auch wenn ihm das Vokabular
fehlen mag, das Getrunkene und die rhetorischen Arabesken des großen
Lehrmeisters in angemessenes Deutsch zu schmieden!) – außer natürlich
vielleicht den notorischen Nicht-Rotwein-Trinkern, die es im Kreise der
Bacchantinnen und Bacchus-Jünger ja geben soll, und denen der Rotspon
egal ist!
Die Pflicht gebietet aber, der Rotwein-Verkostung den gebührenden Platz
in den Annalen unserer Vereinigung zuzuweisen, und so feuchtet der
secretarius eine krude Feder pflichtschuldigst an.
Die unendliche Weisheit des Vorstandes hatte in Anbetracht die
pandemischen Lage „G2+“ angeordnet, und so reihten sich 16 Teilnehmer
sowie dienstbares Personal des Bürgerhauses ein, um von den kundigen
Händen einer Mitarbeiterin unseres Weinbruders Michael Petermeyer auf
die Anwesenheit unerwünschter Parasiten getestet zu werden. Flugs konnte
Entwarnung gegeben werden, und die negativ getestete Korona (!!!) füllte
flugs, versehen mit dem offiziellen „Laisser-Passer“, die gastliche
Statt, während der medizinische Dienst entlohnt und mit Wein bestückt
das Weite suchte.
Nach Klärung der üblichen küchentechnischen Konfusionen und Genuss
opulenter Produkte der Gastronomie des Hauses ergriff der
Bruderschaftsmeister das Wort, bewillkommnete die Anwesenden, erläuterte
die Lage und gab der Hoffnung Ausdruck, dass in Zukunft alles besser werde.
Worauf unser Quell des Wissens das Buch der Weisen aufschlug,
Lehrreiches und Informatives verteilte und anhob, den „Modus
Procedendi“ in behänden Worten zu erläutern, von den Adepten einfordernd
zu den jeweiligen Wein-Paaren aus fünf Ländern unseres sogenannten alten
Kontinentes die Geruchs- und Geschmacksnoten zu beschreiben und sich
über das Alter (der Weine!) Gedanken zu machen. Erläutert wurde der
guten Ordnung halber auch, dass nur trockene Weine zur Verkostung
kommen, deren Restzucker durch die Bank um die 2g/l und deren Restsäure
bei 5g/l liegen.
So instruiert widmete man sich in der ersten Abteilung der Heimat, deren
Winzer auf etwa 12.000ha Spätburgunder anbauen, in klassisch
traditioneller Form zu einem leichten Rotwein oder in moderner Form,
angelehnt an die französischen Usancen, mengen-begrenzt zu schweren,
international konkurrenzfähigen Spitzenprodukten, von denen mit
– 2015 Spätburgunder Kalkmergel des Weingutes Knipser, Pfalz
(erinnerlich aus dem vorjährigen Weihnachtspräsent der Bruderschaft)
– 2009 Lorcher Schloßberg Spätburgunder Spätlese trocken, des Weingutes
Asbach-Kretschmar, Rheingau
zwei würdige, im Barrique ausgebaute Vertreter der Zunft spontanen
Anklang fanden. Während ersterem Noten von Kirsche und Pflaume
zugesprochen wurden, votierte man bei letzterem mehr in Richtung
schwarze Johannisbeere. Nicht erwähnt werden sollte, dass der Rheingauer
der rote Hochzeitswein des Kellermeisters war! Der secretarius tut es
dennoch, nimmt ihn doch Wunder, dass der Genannte ja durchaus ein
Anhänger der älteren Jahrgänge ist (…getreu dem Motto: junge Mädels
und alter Wein…!?) Wie dem auch sei, Wein ist eines und Hochzeiten
anderes…
Eine ganz andere Welt tut sich in Niederösterreich unweit der Grenze zur
Slowakei auf, von wo
– 2018 Ried Kirchweingarten Zweigelt des Weingutes Gerhard Markowitsch,
Carnuntum
– 2018 Ried Dürrau Blaufränkisch des Weingutes Paul Kerschbaum
mit jeweils 13,5%alc. für ihr Alter erstaunlich erwachsen in die Gläser
flossen. Das war wohl für fast alle „terra incognita“, legt aber Zeugnis
ab über die erfolgreiche Entwicklung österreichischer Weinkultur der
letzten Jahrzehnte. Beiden Weinen, insbesondere aber dem Blaufränkisch,
wird ein hohes Alterungspotenzial zugesprochen. Brombeeren und
Sauerkirschen dominieren in Mund und Nase.
Wenn die Rede auf Rotwein kommt, darf einer der größten Produzenten
nicht fehlen: Spanien, wo auf rund 1 Million ha eine Vielzahl von roten
Rebsorten gebaut werden. Aus dem schier unerschöpflichen Reservoir an
Traubensorten und Weinmachern hat das glückliche Händchen des
Kellermeisters mit
– 2004 Amaren Tempranillo Reserva 60 (=Alter der Rebstöcke) aus dem
Weingut von Luis Canas, Rioja
– 2006 Embruix Vall Llach, eine Cuvée von Carinena, Merlot und Cabernet
Sauvignon aus dem Priorat
zwei Vertreter spanischer Weinkultur gewählt, die wohl auf ihrem
beginnenden Höhepunkt stehen. Versehen mit Alkohol-Gehalten um die 15%
bestechen sie durch ihre enorme Dichte mit Noten von Dörrobst, Kaffee,
Zimt und feinen Tabak-Aromen. Klimatische Bedingungen und das auf das
Geringstmögliche reduzierte Wasserangebot zwingen die Rebstöcke zu
tiefgründiger Verwurzelung bei kleinsten Mengen-Erträgen. Ergebnis bei
beiden Weinen ist eine hohe Mineralität. Erstaunlich ist bei beiden die
nach wie vor enorme Frische.
Anhand der Auswahl der französischen Weine fand die vergleichende
Betrachtung zwischen den Philosophien der auf der einen Seite
Lagen-reinen und auf der anderen Seite Cuvée-Weine ihre Fortsetzung.
Hier hatte der Kellermeister mit
– 2010 Pinot Noir Vosne Romanée 1er Cru des Weingutes Raillard, Cote de
Nuits, einen klassischen Burgunder ausgewählt, dem er
– 1998 Chateau Pichon Longueville, Comtesse de Lalande Grand Cru Classé
aus dem Pauillac als Bordeaux-Cuvée (Cabernet Sauvignon und Merlot)
gegenüberstellte. Kaum in den Gläsern fällt im Gegensatz zu der dunklen,
dichten Cuvée die klassisch helle Farbe des Burgunders auf. Die
ehrwürdige Comtesse glänzt mit Anmutungen von Pflaumen, Nelken und
Cassis, während Burgund rote Beeren, Kirschen und allerlei Gewürze ahnen
lässt. Der ausgeprägten Säure Burgunds begegnet ein runder
altersgeprägter Bordeaux.
Da fehlte dann also nur noch Italien mit den großen Rotwein-Regionen
Toskana und Piemont:
– 2006 Sangiovese Il Carbonaione des Weingutes Podere Poggio Scalette
– 2007 Nebbiolo Barolo Sarmassa des Weingutes Giacomo Brezza e Filii
Der verspielte Sangiovese in seinem letzten Jahrgang (danach wurden der
Weinberg gerodet) ist bei aller geschmacklicher Komplexität ein
authentischer Vertreter seiner Region, während der klassische Brezza mit
15% alc. ein gewichtiges Ausrufezeichen für seine Langhe-Spezies
setzt. Neben leichten Andeutungen von Rosenduft dominieren Pflaumen,
allerlei Gewürze und Waldbeeren. Das ist der Stoff, aus dem auch Roberto
Voerzio, Grasso und die anderen Großen ihre Barolos machen – und den man
auch im vielen Jahres noch in großer Frische wird genießen können – wenn
man die Geduld und die entsprechenden Mengen verfügbar hat!!!
Wie man sich überhaupt bei allen anlässlich dieser Probe verkosteten
Weine immer wieder fragen darf, wann denn welcher Wein sein
vermeintliches Optimum erreicht oder schon überschritten haben wird –
eine spannende Frage, die kaum eine befriedigende Antwort finden kann.
Und nicht zuletzt deswegen verweigerte der Kellermeister auch Antworten
auf die Fragen nach den zu gewärtigenden Preisen, die zweifelsohne bei
der Mehrzahl dieser Roten – teilweise exponentiell – angestiegen sind
oder noch werden (so sie denn in den gewählten Jahrgängen noch verfügbar
sind!) Demzufolge scheint es dem secretarius sinnhafter über den Wert zu
sinnieren als den Preis in Heller und Pfennig zu wissen (den kann man im
Internet erkunden!). Eines aber ist wohl allen Teilnehmern bewusst
geworden: Der Preis, der für diese Veranstaltung zu entrichten ist, hat
mit dem Wert der getrunkenen Weine herzlich wenig zu tun!!
Dies möge man bedenken – auch im Lichte des dreistündigen Bemühens das
önologische Füllhorn über die Sinne der Teilnehmer auszuschütten.
Womit das Tagewerk sein Ende fand, der secretarius sich an einem Resümee
des Geschehenen versuchte und in der Feststellung gipfelte, das
Vergleiche zwischen den einzelnen Weinen zwar möglich, aber am Ende
wenig zielführend sind, denn was sollten sie bewirken – außer der
Feststellung, dass jeder für sich ein großer ist, und dass jeder
Genießer gefälligst seine Präferenz und Wahl nach eigenem Gusto zu
treffen habe!?
Mit diesen wenig weisen Worten und dem ausdrücklichen Dank an Alf Weiss
verabschiedet sich die Weinbruderschaft in das Neue Jahr in der
Hoffnung, dass es Pandemie-frei und auch sonst gut werde.